Viele Fragen stehen nach der Bundestagswahl in diesem Jahr im Raum. Die ersten beiden lauten: Lohnt sich (jetzt noch) eine Rückschau? Ich denke, das ist der Fall, und durch diesen Text unterstreiche ich diese Meinung. Vielleicht ist es auch erst jetzt – mit ein bißchen Abstand und Zeit des Nachdenkens – möglich, sich manchen dieser Fragen zu stellen. Schauen wir zunächst auf das grüne Angebot eines Direktkandidaten: War es erfolglos? Offensichtlich ja. War es aussichtslos? Wohl schon. War es sinnlos? Oh nein! Und als ob man es nicht hätte ahnen können: Alle kannten die Umfragen, die Zeitung schrieb über „Den Grünen in der Diaspora” und am Wahlabend wurde ich von einem Journalisten befragt, ob ich angesichts des Ergebnisses denn nicht ans Aufgeben dächte. Wenn ich mich für eine Sekunde darauf einlasse, dann frage ich doch sofort zurück: Was würde dadurch besser? Wird nicht ohnehin zu wenig sinnvoll über politische Inhalte diskutiert? Was wird aus der Demokratie, wenn alle, die fürchten müssen, keine Mehrheit zu bekommen, sich klein machen? Man muß diesen Gedanken wohl nicht weiter verfolgen…
Ich durfte im Rahmen des Wahlkampfes durch das Aufeinandertreffen bei diversen Diskussionsveranstaltungen die anderen Kandidaten aus der Nähe kennenlernen und es wurde klar, es sind allesamt Menschen, die im Wahlkreis leben und in der Region fest verankert sind. Darüber hinaus vertreten sie ihre Anliegen glaubhaft und liegen nicht in jedem Fall auf Parteilinie. Auch einem Vergleich mit anderen Wahlkreisen der Republik hält das Kandidatenfeld (abgesehen davon, daß es allesamt Männer waren) gut und gerne stand. Das soll heißen, allen diesen Bewerbern wäre eine angemessene Vertretung Südthüringens zuzutrauen und gegebenenfalls zu wünschen. Nur den klaren Sieger des Direktmandats durfte ich erst drei Tage vor der Wahl erleben. Wie steht es um dessen Anbindung an den Wahlkreis? Welches Interesse an Südthüringen besteht bei ihm? Ist sein Motiv „Politik als Berufung” oder „Politik als Beruf” (ja, man darf hier durchaus an Max Webers bekannte Abhandlung hierzu denken)? Nach der Wahl wissen wir, wer der Abgeordnete für Südthüringen in Berlin sein wird, aber wissen wir wirklich, wer uns Südthüringer künftig in Berlin vertreten wird?
In der Tat gibt der Wahlausgang viele Fragen, wenn nicht Rätsel, auf. „Der Wähler” hat entschieden und sich deutlich gegen die engagierten und wählbaren Kandidaten der anderen Parteien entschieden. War es etwa auch bei der Erststimme eine reine Parteiwahl? Bei vielen anderen Fragen so kritische Menschen haben einen Bewerber gewählt, den sie in anderen Fällen als Auswärtigen, Politikmanager oder Unbekannten abgelehnt hätten. Nochmal: Gegen wen haben die anderen Kandidaten denn da verloren? Und zuletzt die wohl wichtigste Frage: Wer oder was hat denn eigentlich verloren: die anderen Bewerber oder der Wahlkreis oder die Demokratie oder die Region selbst? Ich zweifle nicht am Wahlergebnis (ich zweifle darüber hinaus auch nicht am Wähler!), aber dessen Zustandekommen macht mich nachdenklich. Weil es eben kein Schicksal, kein Zufall oder ein Unfall war, lohnt sich eine genauere Analyse, denn nur so ist eine Veränderung möglich. Über ein derartiges Ergebnis sollte man nicht so einfach hinweggehen, weder in Fatalismus noch gar in Gleichgültigkeit.
Es steht jedenfalls fest: Ich habe die Wahl verloren – und dennoch viele Erfahrungen und einige Sympathien gewonnen. Es gab eben bei allem Gegenwind auch zahlreiche ermutigende Begegnungen und Reaktionen, wie soll ich denn da an ein Aufhören denken! Komme ich am Ende sogar dazu, die Wahlniederlage in einen Erfolg umzudichten? Nein, es geht hier um eine gerechte Würdigung und ein ehrliches Fazit, bei dem diese Aspekte nicht fehlen dürfen. Und am Ende steht: Ich bleibe, aus Treue und nicht aus Trotz; ich bleibe, aus Verpflichtung und nicht aus Vergnügen; ich bleibe, aus Überzeugung und nicht aus Übermut! Ich bleibe gerne dabei!